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Generation mobilDer Boom der Fernbeziehungen Räumlich getrennt, seelisch vereint - bei vielen jungen Liebespaaren ist dieser Zustand normal. Fast jeder hat schon einmal, und sei es nur für kurze Zeit, eine Fernliebe erlebt. Für die einen ist sie pure Qual, weil sie es ohne den geliebten Menschen in Reichweite kaum aushalten. Für die anderen ist sie Erleichterung, weil sie zu viel Nähe nicht mögen und nur die Schokoladenseite einer Beziehung ohne lästigen Alltag genießen wollen. Sie lieben es, halb Single, halb Paar zu sein. Der Mainzer Soziologieprofessor Norbert Schneider hat nun im Auftrag des Bundesfamilienministeriums eine Studie über «berufliche Mobilität und Lebensform» erarbeitet. Die Ergebnisse sollen am 12. Juli vorgestellt werden. Die Liebe auf Distanz ist zwar (noch) nicht die Lebensform der Mehrheit, aber in Zeiten der Globalisierung ist das Reisen von A nach B - von der Arbeit zur Beziehung - für viele zwischen 18 und 39 Jahren normal geworden. Berufliches Fortkommen bedeutet heute oft Fortgehen. «Die Leitfigur unserer Zeit ist das mobile Subjekt - flexibel, ungebunden, leistungsstark», sagt Soziologe Schneider. Der aus diesem Idealbild entstehende Druck mache die Vereinbarkeit von Beruf und privatem Glück immer schwerer. Die Deutschen, die im internationalen Vergleich lange Zeit als «Mobilitätsmuffel» galten, würden immer mobiler, sagt Schneider. Jede achte Liebe etwa ist nach Schätzungen inzwischen eine gewollte oder ungewollte Fernliebe. 1985 sollen es nur halb so viele gewesen sein. Egal, ob Beamter oder Banker, Ingenieur oder Journalist, Monteur oder Manager, Student oder Stewardess: Millionen Paare sind betroffen, insbesondere unverheiratete Paare der Mittelschicht. «In bestimmten Branchen - beispielsweise in Medienberufen oder bei Banken sowie im Universitätsbetrieb - sind Fernbeziehungen an der Tagesordnung», sagt Lebensform-Experte Norbert Schneider, der selbst Erfahrungen mit einer Fernbeziehung hat. Das Rhein-Main-Gebiet, aber auch Berlin und Hamburg, gelten als Hochburgen von Fernliebenden. Eines der vielen betroffenen Paare hat ein Buch über die Fernliebe geschrieben: Die in Bochum arbeitende Theaterwissenschaftlerin Karin Freymeyer und ihr Freund, der Journalist Manfred Otzelberger, der im 600 Kilometer entfernten Bayreuth lebt. Das Reportagebuch mit vielen Erlebnisberichten und Tipps verkauft sich nach Verlagsangaben sehr gut. Viele Fernliebende leiden. Das belegte vor einigen Jahren eine Umfrage der Zeitschrift «Elle» unter jeweils etwa 2000 fernliebenden Männern und Frauen. Fast alle beklagten den alltäglichen Mangel an Zärtlichkeit. Zwei Drittel hatten stets das Gefühl, sich auseinander zu entwickeln, die Hälfte war wegen der mangelnden Kontrolle regelmäßig eifersüchtig. Die durchschnittliche Fernbeziehung dauert der Umfrage zufolge etwa zwei bis drei Jahre. Dann kommt meist der Wendepunkt: Trennen wir uns oder ziehen wir zusammen? «Wenn man sich selten trifft, sieht man den Partner mit falschen Augen. Es gibt keine Nähe, nur punktuell. Dazwischen ist ein großes Loch, das man auffüllt mit Mythen und Affären», sagt Spanischstudent Lars (29), der eine Fernbeziehung mit einer Spanierin hatte. Verlagskauffrau Petra (31) ist da romantischer: «Ich lebe nur noch auf das Wochenende hin.» Unter der Woche, wenn sie ihre Freundin Carla nicht sehe, sei sie hingegen vor lauter Sehnsucht kein richtiger Mensch mehr. Der Frankfurter Maschinenbau-Ingenieur Jürgen (32), dessen Freundin in Düsseldorf lebt, sagt: «In Fernbeziehungen geht leider die Spontaneität verloren. Die Wochenenden müssen genau verplant werden. Das ist oft sehr anstrengend und kann zur Bewährungsprobe für die Liebe werden.» Dass es Erfahrungen mit der Fernliebe schon seit langem gibt, beweist ein Blick in philosophische Bücher. So hatte schon der altchinesische Philosoph Lao-Tse drei Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung folgende Weisheit zur Fernliebe parat: «Die Entfernung ist für die Liebe wie der Wind für das Feuer. Das starke facht er an, das schwache bläst er aus.» |
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