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Wann beginnt das Leben?

Frage, wann Leben beginnt, wird im jüdischen Glauben ganz anders beurteilt als im Christentum Von Hauke Gerlof

Wenn Christen und Juden bei der ethischen Beurteilung der Präimplantationsdiagnostik und der In-vitro-Fertilisation (IvF) zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, dürfte das an einem wichtigen Unterschied liegen: "Die Frage, wann das Leben beginnt, wird bei den Juden anders beantwortet als bei den Christen." Darauf hat der jüdische Mediziner Dr. Schimon Staszewski hingewiesen.

Deshalb dürfen nach jüdischem Recht Embryonen im frühen Stadium, die bei der In-Vitro-Fertilisation überschüssig sind, für die Forschung verwendet werden.

Die Züchtung allein zu Forschungszwecken sei dagegen nicht erlaubt, so Staszewski, der in Frankfurt am Main über "Die Bioethikdiskussion aus jüdischer Sicht" referierte.

Das jüdische Gesetz wird ständig weiterentwickelt Das jüdische Gesetz werde aus einer Jahrtausende alten Tradition ständig weiterentwickelt und an moderne Entwicklungen angepaßt, sagte der Allgemeinmediziner.

Eine genaue Kenntnis der jüdischen Quellen, der Rekurs auf frühere Fälle bei anderen Problemen und eine profunde Kenntnis der neuen Technik bildeten die Grundlagen für Entscheidungen anerkannter Rabbiner über ethische Probleme, die dann allgemein gültig würden.

Ein Beispiel: Die Entwicklung des Mikroskops hat die Entdeckung von Bakterien nach sich gezogen. Auch im Trinkwasser wurden diese Lebewesen gefunden, die nach jüdischem Recht nicht koscher waren und damit nicht hätten gegessen werden dürfen.

Wie entschieden die Rabbiner? Gott könne nicht wollen, daß die Juden kein Wasser trinken dürfen, denn dann könnten sie nicht leben. Die Lösung: Seitdem ist nur das, was man mit bloßem Auge sieht, von Juden bei der Ernährung zu beachten.

Diese Entscheidung hat auch Folgen für die Bioethik-Diskussion: Ein Embryo im Vier- oder 16-Zellenstadium ist mit bloßem Auge noch nicht erkennbar.

Ein weiteres Argument für Juden dafür, daß er noch nicht lebt: Er ist noch nicht im Mutterleib und damit nicht Teil des menschlichen Körpers.

Daher könnten nach der In-Vitro-Fertilisation überschüssige Embryonen für die Forschung verwendet werden. Ein Argument ist auch, daß die Embryonen abstürben, wenn sie nicht für die Forschung genutzt würden.

Eine Züchtung zu Forschungszwecken ist nach Aussage von Staszewski aber auch für Juden nicht erlaubt. Das jüdische Gesetz verbiete es, menschlichen Samen zu verschütten. Das gelte dann natürlich auch für die mit Samen befruchtete Eizelle. Die embryonalen Stammzellen, die zwei deutsche Forscher importieren wollen, sind daher aus sehr wenigen Embryonen gezüchtet worden.

Ein anderes ethisches Problem im Zusammenhang mit heranwachsendem Leben ist die vorgeburtliche Diagnostik mit Ultraschall und Amniozentese. Ergibt sich dabei eine Behinderung des Kindes, ist in Deutschland eine Abtreibung aus medizinischer Indikation erlaubt.

Die vorgeburtliche Diagnostik ist nach Aussage von Staszewski auch den Juden gestattet, da sie ermöglicht, Risiken rechtzeitig zu erkennen und damit das Leben von Mutter und Kind zu schützen. Eine Abtreibung sei aber nur erlaubt, wenn das Leben der Mutter bedroht ist.

Ob das Klonen von Menschen gestattet sein wird, ist dagegen noch nicht klar. Das jüdische Recht werde immer anhand von konkreten Fällen weiterentwickelt - und bisher habe es noch keinen geklonten Menschen gegeben und auch keinen Versuch, einen Menschen zu klonen. Sehr problematisch bei der Beurteilung des Klonens von Menschen könnten aber die unklaren Verwandtschaftsbeziehungen sein: Wenn der Zellkern zum Beispiel vom Mann stammt: Wer ist dann der Vater des Kindes? Kind und Vater sind genetisch ja Zwillinge.

Die Transplantation von Organen ist nach jüdischem Recht ebenfalls problematisch. Wichtig sei dabei der Eintritt des Todes: Ursprünglich habe gegolten, daß tot ist, wessen Herz aufhört zu schlagen - zu spät für eine Transplantation. "Inzwischen akzeptiert die Mehrheit der Rabbiner, daß der Tod eintritt, wenn das Gehirn inklusive Stammhirn vollständig abgestorben ist", erklärte Staszewski.

Das werde analog gesehen zu einem Menschen, der enthauptet wird und mit der Enthauptung unzweifelhaft tot sei - obwohl das Herz noch einige Zeit weiter schlägt. Sehr schwer wiegt im positiven Sinne, daß durch die Transplantation ein Leben gerettet wird.

 

STICHWORT Jüdische Quellen Es gibt mehrere Quellen, die für Juden die Entscheidungsgrundlage bei ethischen Problemen sind. Da ist zum einen die Thora - die fünf Bücher Moses, die etwa 1200 vor Christus entstanden sind. Die Mishna ist die mündliche Lehre, die Moses nach jüdischer Überlieferung von Gott erhielt. Sie wurde im zweiten Jahrhundert nach Christus geschrieben. Enthalten sind Anweisungen über die Umsetzung der Gesetze in der Thora. Die Gemara ist eine Sammlung von Kommentaren zur Mishna, die im fünften Jahrhundert nach Christus beendet worden ist. Außerdem gibt es zwei Kodifizierungen jüdischen Rechts aus dem Hochmittelalter und der frühen Neuzeit.

Ethische Streitfragen werden durch anerkannte Rabbiner anhand von Präzedenzfällen geklärt. 

Quelle: Ärzte Zeitung, 06.07.2001

    

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