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Kindesmisshandlung in der DDR - ein verleugnetes Problem 

Datum der Mitteilung: 13.08.2001 
Dr. Josef König; Ruhr-Universität Bochum 


Mit dem Bild des "neuen sozialistischen Menschen" ist Kindesmisshandlung durch die Familie oder gar den Staat nicht zu vereinbaren. Obwohl es das Problem in der DDR gab, war seine wissenschaftliche Erforschung unmöglich. In ihrer Dissertation geht Dr. Sabine Gries dem verleugneten Problem auf den Grund.

Kindesmisshandlung in der DDR RUB-Studie erforscht ein verleugnetes Problem Von autoritären und totalitären Erziehungsleitbildern

Einem Problem, das es gar nicht geben durfte, widmet sich Dr. Sabine Gries in ihrer Dissertation "Kindesmisshandlung in der DDR. Kinder unter dem Einfluss tradtionell-autoritärer und totalitärer Erziehungsleitbilder" (Fakultät für Sozialwissenschaft, Betreuer: Prof. Dr. Dieter Voigt). Sie stellt fest: Mit dem Bild des "neuen sozialistischen Menschen" ist Kindesmisshandlung durch die Familie oder gar den Staat nicht zu vereinbaren. Obwohl es das Problem in der DDR gab, war seine wissenschaftliche Erforschung unmöglich.

Interne Studien sehen nur medizinische Aspekte

Wenn Wissenschaftler in der DDR überhaupt über Kindesmisshandlung forschten - was selten vorkam - dann suchten sie die Ursachen für das Problem stets im Fehlverhalten des einzelnen Täters: "Interne Untersuchungen beschäftigten sich fast ausschließlich mit dem medizinischen Aspekt des Problems", stellt Sabine Gries fest. Fachleute waren schnell bereit, eine solche Tat als Ausdruck einer bösartigen oder wenigstens gestörten Persönlichkeit zu sehen, sie galt als "typisch bürgerliches" Delikt. Gesellschaftliche Aspekte und Ursachen für diese Straftaten blieben in den Studien außen vor; ebenso eine eventuelle Misshandlung von Kindern durch den Staat, die auch seelischer Art sein kann. "Der Kinderschutz in der DDR befand sich auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts", so Gries, "man überführte und bestrafte die Täter, trennte sie von ihren Kindern und kontrollierte in Verdachtsfällen." "Harmlose" Misshandlungsformen tauchen in den Untersuchungen erst gar nicht auf.

Staat schützt Kinder vor Erziehung ihrer Eltern

Der Grund für diesen Umgang der DDR-Gesellschaft mit dem Problem Kindesmisshandlung liegt zum Teil in ihrer Ideologie: Den Vorgaben nach gab es in einem sozialistischen Staat weder einen Nährboden noch Entfaltungsmöglichkeiten für kinderfeindliches Verhalten. Die Sozialisation von Kindern sollte der Theorie zufolge Aufgabe staatlicher Institutionen sein; der Staat sollte die Kinder vor ihren Eltern beschützen. So wollte man sozialistische Persönlichkeiten mit einer humanistischen Grundhaltung erziehen - und wie sollten daraus misshandelnde Eltern entstehen? Deren Verhalten blieb grundsätzlich unverständlich. Theorie und Praxis klafften hier natürlich auseinander, denn staatliche Institutionen konnten die Erziehung im Elternhaus bestenfalls begleiten, sie aber nicht ersetzen.

Kinder als Stasispitzel

Überdies trat der Staat auch selbst als Kindesmisshandler auf: Um die Kinder von klein auf für die eigenen Interessen und den eigenen Machterhalt nutzen zu können, banden staatliche Institutionen sie eng in das ideologische System ein. Dazu gehörte auch, sie zum Hass auf sämtliche tatsächlichen und imaginären Gegner und Feinde der eigenen Ideologie zu erziehen. So dienten Kinder z. B. als Spitzel des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und gewöhnten sich früh ein System, das Andersdenkende überwacht und ausspäht. "Die sozialistische Handlungsmaxime brach zwar mit den "bürgerlichen" Traditionen, stand aber in der verschwiegenen Tradition totalitärer Gesellschaften wie z. B. des NS-Regimes", erklärt Sabine Gries, "Kindesmisshandlung in der DDR - auch seelische durch den Staat - spielte sich in einer unbekannten und unerforschten Welt ab. Sie war aber trotzdem von erschreckender und alltäglicher Realität mit noch weitgehend unerforschten Auswirkungen auf Gegenwart und Zukunft."

Weitere Informationen

Dr. Sabine Gries, Honeickenstraße 11, 44869 Bochum, Tel. 02327/50626, Fax: 02323/164572

 

    

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