|
Stoiber propagiert überholtes Frauen- und Familienbild Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer FrauenBerlin, den 09. August 2000 221/00Zur Forderung von Edmund Stoiber, eine nationale Bevölkerungspolitik zu betreiben, erklärt die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) und Mitglied des Präsidiums der SPD Karin Junker, MdEP: Will Herr Stoiber Deutschlands Frauen wieder Heim und Herd schmackhaft machen? Das wird nicht gelingen, auch nicht mit der Zahlung von einem wie immer gearteten "Familiengeld". Zum Glück können Frauen heute über Kinderzahl und Zeitpunkt von Geburten selbstbestimmt entscheiden. Da lassen sie sich von der Politik zu Recht nicht hineinreden, schon gar nicht von der erzkonservativen CSU aus Bayern. Ganz abgesehen davon, dass sich das Problem der zunehmenden Überalterung nicht mit ein oder zwei Kindern mehr je Familie lösen lässt: Auch Edmund Stoiber dürfte die Berechnungen der Zukunftsforscher kennen, die besagen, dass jede Frau künftig mindestens acht Kinder zur Welt bringen müsste, um den Stand der Bevölkerungszahl zu erhalten. Das kann ja wohl nicht gemeint sein. Der Ruf aus Bayern gilt lediglich dem zurück zu einem überholten Frauen- und Familienbild. Im übrigen kann ein Blick in die internationale Geburtenstatistik Edmund Stoiber zeigen, wie sich ein Ja zu Kindern ganz ohne staatliche Bevölkerungspolitik von selbst ergibt: durch die Ermöglichung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur, wie gehabt, für Männer, sondern auch für Frauen. Nicht das "Idealbild" der "beruflich Erfolgreichen und global Mobilen" hat Deutschlands Kinderarmut verursacht, sondern das einseitig auf Frauen lastende Risiko, Kindererziehung mit beruflichem Verzicht bezahlen zu müssen. In Skandinavien und anderen Ländern hat sich die gezielte Politik, die Frauenerwerbsquote deutlich zu erhöhen, Karrieremöglichkeiten auch für Mütter zu fördern und Väter mehr in die Pflicht zu nehmen, durch steigende Geburtenzahlen ausgewirkt. Das zeigt auch für unser Land den richtigen Weg, denn hier sind die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie höchst unzureichend. Herr Stoiber und seinesgleichen sollten endlich zur Kenntnis nehmen, dass Frauen heute Beruf und Familie wollen und nicht Beruf oder Familie. Was unternimmt der bayerische Ministerpräsident in seinem Machtbereich, um die Weichen dafür zu stellen? Schafft er Teilzeitstellen für Mütter und Väter auch in Leitungsfunktionen? Sorgt er für flächendeckende Tagesbetreuung von Kindern aller Altersgruppen? Legt er jungen Vätern nahe, von den neuen Freistellungsmöglichkeiten nach dem Erziehungsgeldgesetz Gebrauch zu machen, ohne berufliche Nachteile fürchten zu müssen, damit die jungen Mütter den beruflichen Anschluss besser halten können? Kinder, Küche, Kirche sind von gestern, Herr Stoiber, heute verlangt eine exzellent ausgebildete Frauengeneration Kinder, Kompetenz und Karriere. Das ist ihr gutes Recht und dafür steht die Politik in ihrer Pflicht. E-Mail-Service der SPD-Pressestelle
Der Schlüssel moderner Familienpolitik ist die Vereinbarkeit von Kindern und BerufSPD-Presserklärung: Berlin, den 19. August 2000 226/00Zum Thema Familienpolitik erklärt die Landes- und Fraktionsvorsitzende der BayernSPD und stellvertretende Parteivorsitzende Renate Schmidt, MdL: Unbestreitbar wird die Alterspyramide in Deutschland nach unten immer schmaler, nach oben breiter und höher. Doch eine Gesellschaft, in der die über 50-jährigen zur Regel und die unter 20-jährigen zur Ausnahme werden, verliert ihre Zukunftsfähigkeit und einen wesentlichen Teil ihrer Lebensqualität. Der bayerische Ministerpräsident sucht die Antwort darauf im angeblichen Megathema "Bevölkerungspolitik". Diese Politik erinnert schon vom Namen her an Mutterkreuz, an Blut- und Bodenmentalität und an Geburtenprämien unseligen Angedenkens. Und sie suggeriert fälschlicherweise, höhere Geburtenraten alleine könnten die Probleme der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung lösen. Nein, wir brauchen keine Bevölkerungspolitik, sondern eine kinderfreundliche Gesellschaft und eine moderne Familienpolitik. Was unterscheidet Familienpolitik, wie wir sie wollen, und deutsche Bevölkerungspolitik? Der eine Unterschied sind die Instrumente: Moderne Familienpolitik will Rahmenbedingungen schaffen, damit vorhandene Kinderwünsche erfüllt werden können. Bevölkerungspolitik versucht, mit materiellen Anreizen die Geburtenrate der deutschen Bevölkerung zu steigern. Der andere Unterschied sind die Adressaten: Moderne Familienpolitik richtet sich an die in Deutschland lebenden Familien - unabhängig von ihrer Herkunft. (Übrigens: In der zweiten Generation von Familien ausländischer Herkunft passt sich die Geburtenhäufigkeit nahezu vollständig der einheimischen Bevölkerung an.) Bevölkerungspolitik richtet sich an die Familien deutscher Herkunft. Moderne Familienpolitik heißt: materieller Ausgleich für Familienleistungen und Vereinbarkeit von Kindern und Beruf. Die Instrumente einer modernen Familienpolitik haben zwei Hauptkomponenten: den notwendigen materiellen Ausgleich für die Leistungen, die die Familien für die gesamte Gesellschaft erbringen, und die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf, die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere für Mütter und Väter. o Materieller Ausgleich für Familienleistungen: Es kann nicht dabei bleiben, dass der volkswirtschaftliche Nutzen, der durch Kinder entsteht, der Allgemeinheit zugute kommt, also sozialisiert wird, während die "materiellen Lasten", die durch Kinder entstehen, vorwiegend von den Eltern getragen, also privatisiert sind. Deshalb sind die wichtigen und begrüßenswerten Leistungen wie Steuererleichterungen und Erhöhungen des Kindergeldes, wie sie die SPD-geführte Bundesregierung bereits in Kraft gesetzt hat, große Schritte in die richtige Richtung. Auf Dauer muss aber mehr geschehen: Trotz erheblicher Transferleistungen und Steuererleichterungen tragen die Eltern zwischen 60 bis 75 Prozent der materiellen Lasten selbst und finanzieren durch ihre überproportionalen Steuerleistungen - Familien zahlen die meisten direkten und indirekten Steuern - auch noch im wesentlichen die ihnen zugute kommenden Transferleistungen selbst. Die kontinuierliche Verbesserung des Familienleistungsausgleiches ist eines der wichtigsten Gebote der sozialen Gerechtigkeit und kein Instrument von Bevölkerungspolitik. Wer aber glaubt, allein mit materiellen Leistungen Geburtenzahlen erhöhen zu können, befindet sich auf dem Holzweg: Alle Erfahrungen aus vergleichbaren europäischen Ländern beweisen das Gegenteil. o Vereinbarkeit von Kindern und Beruf: Eine vernünftige Familienpolitik hilft mit, dass vorhandene Kinderwünsche in Erfüllung gehen können. Dazu setzt sie neben einem sozial gerechten Familienleistungsausgleich vor allem auf die zweite Säule von Familienpolitik, die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf und die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere für Mütter und Väter. Alle neueren Studien belegen: Junge Menschen beiderlei Geschlechts haben zu über 90 Prozent den Wunsch nach Kindern - mit der Betonung auf der Mehrzahl. Doch bereits nach dem zwanzigsten Lebensjahr wird bei jungen Frauen aus dem Kinderwunsch der Ein-Kind-Wunsch. Selbst dieser Wunsch erfüllt sich für viele nicht, denn Deutschland und auch Bayern haben die rote Laterne in Europa, wenn es um die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf geht. Hier muss eine moderne kinderfreundliche Familienpolitik ansetzen: Das Angebot an Kinderkrippen, Kindergärten und Tagesschulen muss ausgebaut werden. Diese Projekte haben absoluten Vorrang - selbst vor weiteren Verbesserungen des Familienleistungsausgleichs. Teilzeitangebote für qualifizierte Tätigkeiten auch für Väter, ohne dadurch eine weitere Karriere zu gefährden, gehören genauso zur modernen Familienpolitik wie die Anerkennung von Familientätigkeit als berufliche Qualifikation. Wenn die Geburtenrate zurückgeht und vorhandene Kinderwünsche nicht in Erfüllung gehen, liegt dies nicht in erster Linie an den materiellen Benachteiligungen von Familien, sondern an der Ursache dieser materiellen Benachteiligung: Müttern ist es unmöglich, Beruf und Karriere mit Kindern ohne erhebliche Schwierigkeiten zu vereinbaren. Das zentrale Thema der Zukunft ist also ganz bestimmt nicht eine "Bevölkerungspolitik", sondern ob und wie weit Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, Kinder, Beruf und Karriere für beide Geschlechter zu vereinbaren.
|
(c) eheseelsorge.net, 2000-2008 |