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Geschlechterkonflikt in der Eizelle: Max Planck-Gesellschaft, 2. März 2000

Wie mütterliche Gene die Umprogrammierung des väterlichen Erbguts steuern

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin sind einem Mechanismus auf der Spur, der zu einem neuen Verständnis über die Festlegung genetischer Programmabläufe am Beginn neuen Lebens, d.h. bei der Verschmelzung von Spermium und Eizelle führen könnte. Am Modellorganismus Maus konnten sie nachweisen, daß entgegen bisheriger Annahmen das väterliche, nicht aber das mütterliche Erbmaterial in kürzester Zeit demethyliert und damit "umprogrammiert" wird. Diese Demethylierung erfolgt aktiv und ist zugleich ein Hinweis auf die Existenz entsprechender Enzyme, sogenannter Demethylasen im Zellplasma der befruchteten Eizelle. Die Ergebnisse wurden in der Ausgabe der Zeitschrift Nature vom 3. Februar veröffentlicht.

Spermium und Eizelle, die nach der Befruchtung den Säugerembryo und damit ein neues Individuum bilden, sind in Morphologie und Funktion sehr unterschiedlich. Das gilt insbesondere auch für das Erbmaterial in den väterlichen und mütterlichen Chromosomen. Während das väterliche Erbmaterial im Spermium extrem kondensiert ist, entspricht die Struktur der mütterlichen Chromosomen in der sehr viel größeren Eizelle im wesentlichen bereits der einer "normalen" Körperzelle. Während der Reifung der Geschlechtszellen erhalten die Chromosomen beider Elternteile Kodierungen in Form von DNA-Methylierung. Die Berliner Forscher haben gezeigt, daß diese Methylierungsmuster kurz nach der Befruchtung vom väterlichen, aber nicht vom mütterlichen Erbgut entfernt werden. Diese einseitige DNA-Demethylierung ist möglicherweise kritisch für die Regulation der ersten Lebensabschnitte eines Organismus. DNA-Methylierungsmuster haben nämlich eine besondere Bedeutung: Sie kontrollieren u.a. während der Entwicklung den Zugriff auf die genetische Information. Durch DNA-Methylierung wird gezielt die Struktur bestimmter Cytosin-Basen im Genom verändert. Diese Veränderung beeinflußt zwar nicht die Basenabfolge (Gensequenz), jedoch ihre Lesbarkeit. Der Lesetext - das Gen - wird quasi wie durch ein Passwort geschützt. Die DNA-Methylierung erfolgt enzymatisch nach der Verdopplung der DNA. Durch das Setzen von Methylierungsmustern werden aktive und inaktive, d.h. "lesbare" und "nicht lesbare" Abschnitte des Genoms festgelegt. Diese Methylierungskodierung eines Genoms ist über Zellteilungen hinaus, d.h. im Entwicklungsprozeß eines Gewebes bzw. Organismus stabil "vererbbar". Sie ist aber auch reversibel, d.h. sie kann unter bestimmten Umständen von der DNA wieder entfernt werden. So wie Passwort-geschützte Bereiche einer Datenbank durch Entfernen des Passworts wieder zugänglich gemacht werden können. Gesteuerte Veränderungen im Methylierungsmuster der Gene sind daher eine Art "epigenetische" Kodierung, die den "Aktivitätszuständen" von Genen oder Genomabschnitten entsprechen bzw. sie kontrollieren.

Die Frage, wie die oben erwähnten strukturellen und funktionellen Unterschiede zwischen den beiden elterlichen Genomen im Verlauf der weiteren Entwicklung ausgeglichen werden und wie aus väterlichem und mütterlichem Erbmaterial ein diploides, also beide Chromosomensätze enthaltendes somatisches Genom entsteht, ist eine grundlegende, aber noch weitgehend unverstandene Frage in Biologie und Medizin.

Mit zwei unabhängigen experimentellen Ansätzen konnten die Wissenschaftler zunächst zeigen, daß väterliches und mütterliches Erbmaterial sich nicht unmittelbar nach der Befruchtung durchmischen (Abbildung 1). Sie bleiben während der ersten Zellteilungen räumlich getrennt und erst allmählich findet eine graduelle Durchmischung statt (Referenz 1). Einhergehend mit dieser räumlichen Trennung werden die beiden elterlichen Chromosomensätze unterschiedlich programmiert. Das väterliche Genom wird kurz nach der Befruchtung noch vor einer Zellteilung aktiv demethyliert (Abbildung 2). Diese Umprogrammierung erfordert spezielle Enzyme, sogenannte Demethylasen, welche die Methylgruppen an den Cytosin-Basen quasi wie eine Schere entfernen. Die Existenz solcher aktiven Demethylierungsaktivitäten war bisher umstritten. Die globale Methylierung des mütterlichen Genoms bleibt dagegen bis zum Zweizellstadium relativ unverändert. Im Verlauf weiterer Zellteilungen und damit einhergehender DNA-Verdopplungen geht dann auch ein Großteil der mütterlichen Methylierung verloren. Ursache dieser graduellen und "passiven" Demethylierung ist wahrscheinlich ein Verlust der DNA-Methyltransferase-Aktivität, eines Enzyms, welche die Methylierungsmuster des alten DNA-Stranges auf den neusynthetisierten DNA-Strang überträgt.

Abbildung 1: Verteilung von väterlichem Chromatin im frühen Stadium des Mausembryos. Zur Markierung von vä terlichen Chromosomen wurden BrdU-behandelte männliche Mäuse mit unbehandelten weiblichen gepaart. Die entstandenen Embryonen wurden mit anti-BrdU-Antikörper (grün) gefä rbt. Zellkerne und Chromosomen wurden mit DAPI (blau) gegengefärbt. a, Extrem kondensierter Sperma-Kern und befruchtetes Ei. b, Männliche und weibliche Pronuclei 10 Stunden nach der Befruchtung. Der etwas größere mä nnliche Pronucleus zeigt eine nahezu uniforme BrdU-Färbung, ein Hinweis darauf, daß die gesamt Sperma-DNA mit BrdU substituiert ist. c, Später Einzellembryo nach Abbau der pronuklearen Membran. d, Erste Metaphase. e, Zweizellembryo 32 Stunden nach der Befruchtung. Der zweite Polkörper bleibt vollständig BrdU-negativ. Das männliche Chromatin beansprucht annähernd die Hä lfte des Zellkernvolumens. f, Vierzellembryo und zweiter Polkörper 45 Stunden nach der Befruchtung. In diesem Stadium ist nur noch die Hälfte der vä terlichen Chromosomen mit BrdU gekennzeichnet. Trotzdem zeigen die meisten Zellkerne keine zufällige Verteilung der BrdU-Markierung, was auf eine Genomseparierung hinweist. Maßstab 10 µm.

Abbildung 2: Differentiale Demethylierung von elterlichem Chromatin im frühen Stadium des Mausembryos. Der Grad der globalen DNA-Methylierung wurde sichtbar gemacht durch Immunofluoreszenz-Färbung mit einem anti-5-Methylcytosin (MeC) - Antikörper (grün). a, Einzellembryo drei Stunden nach Befruchtung mit intensiver MeC-Markierung beider Pronuclei. b, Väterliche und mütterliche Pronuclei nach 6 Stunden. c, Untermethylierter vä terlicher Pronucleus nach acht Stunden. Der kleinere weibliche Pronucleus bleibt methyliert. d, Aphidicolin-behandelter Einzellembryo zeigt eine replikationsunabhängige Demethylierung des mä nnlichen Pronucleus. e, Erste Metaphasen. f,g, Zweizellembryonen nach 22 Stunden (f) und nach 32 Stunden (g); sie zeigen differentiale Methylationsstufen der väterlichen und mü tterlichen Bestandteile. h, Vierzellembryo nach 45 Stunden. Die Intensität der Färbung der mütterlichen Zellkernhälfte ist viel schwächer als in Zweizellembryonen. Der Polkörper bleibt während der gesamten Prä implantationsentwicklung methyliert. Maßstab 10 µm.

Die Mechanismen, mit denen mehrfach im Verlauf der Entwicklung von Organismen und Organen präzise Methylierungsmuster - also Passwörter - gesetzt und entfernt werden, sind nach wie vor unklar. Sicher ist aber, daß sie von erheblicher biologischer Bedeutung sind und daß fehlerhafte Muster zu einer Reihe von Erkrankungen führen können (z. B. Entwicklungsstörungen, Krebs, Immunkrankheiten). Der Befund, daß die beiden elterlichen Genome eben nicht auf gleiche Weise umprogrammiert werden, hat möglicherweise erhebliche Bedeutung für das Verständnis der molekularen Mechanismen, die zu einer elterlichen Prägung von Genen (Genomic Imprinting) führen. Es galt bisher als unzweifelhaft, daß die elterspezifischen Prägungen (i.e. DNA-Methylierungen) ausschließlich in der Keimbahn gesetzt werden. Nach dem Befund der Berliner Wissenschaftler ist es jedoch vorstellbar, daß auch noch nach der Befruchtung gezielte Veränderungen in den "Zugriffsrechten" der väterlich oder der mütterlich ererbten Gen-Information erfolgen könnten. Die unterschiedliche Demethylierung der beiden Genome ist damit ein eindrucksvolles Beispiel für den "Kampf zwischen den Geschlechtern": Die befruchtete Eizelle demethyliert nämlich aktiv das männliche Genom, während das weibliche Genom einen Schutzmechanismus gegen diese frühe aktive Demethylierung entwickelt hat. Diese Asymetrie hat möglicherweise Einfluß auf jene Gene in den Körperzellen, bei denen entweder nur die vom Vater oder nur die von der Mutter kommende Information abgelesen wird.

Darüber hinaus könnte die nachgewiesene aktive Umprogrammierung des väterlichen Genoms im Einzellembryo eventuell auch die vielen Schwierigkeiten bei der Klonierung von Säugerembryos erklären. Dabei wird ein diploides somatisches Genom in eine aktivierte entkernte Eizelle eingesetzt. Da die zelluläre Maschinerie der Eizelle aber zwei unterschiedliche elterliche Genome erwartet, haben klonierte Embryos nur geringe Entwicklungschancen. Störungen bei der Trennung und der epigenetischen Umprogrammierung der elterlichen Genome könnten auch für den hohen Verlust von Säugerembryonen während der normalen Präimplantationsentwicklung oder bei der In-vitro-Fertilisation verantwortlich sein.

Die erstmals gezeigte Asymmetrie bei der epigenetischen Programmierung der elterlichen Genome, also bei der Zuweisung von Zugriffsrechten auf die genetische Information, in der frühesten Entwicklungphase hat möglicherweise weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis der Genomfunktionen im Menschen und anderen Säugern. Die unkorrekte Zuweisung von Zugriffsrechten auf die genetische Information führt zu "Lesefehlern" und damit zu Veränderungen in der Merkmalsausbildung im Organismus, was krankmachende Prozesse auslösen kann. Es ist fast so, wie wenn ein Hacker in eine Datenbank eindringt und wichtige Dateien löscht bzw. unkenntlich macht, die für einen korrekten Ablauf des Programms unverzichtbar sind. Durch ein genaueres Verständnis der molekularen Ursachen und Komponenten der epigenetischen Programmiersprache wird ein neues Fenster für das funktionelle Verständnis des Genoms aufgestossen. Die Arbeiten hierzu stehen noch am Anfang; die Werkzeuge, sie zu verstehen, wurden jedoch in den vergangenen Jahren bereits entwickelt.

Jörn Walter, Reinald Fundele, Thomas Haaf

Weitere Auskünfte erhalten Sie gerne von Jörn Walter Max Planck Institut fuer molekulare Genetik Ihnestr. 73 14195 Berlin Tel: 030-8413-1274 Fax: 030-8413-1385 e-mail: walter@molgen.mpg.de

 

    

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