Familienstand: ledig -
"Singles" im 19. Jahrhundert
Claudia Brettar Familienstand: UNI Saarland, 9.8.2000
Rund 13,5 Millionen von 81,2 Millionen Menschen in Deutschland leben laut
Statistischem Bundesamt heute in einem Single-Haushalt. Schon seit Jahren ist
dieser Haushaltstyp der häufigste hierzulande - 1999 machte er 36 Prozent aller
Privathaushalte aus.
- Was in unserer Gesellschaft selbstverständlich ist, war im Bürgertum des 19.
Jahrhunderts ein Novum. Wie lebten damals die ehelosen Frauen und Männer -
sozusagen die Wegbereiter für die spätere Normalität? Warum lebten sie
allein? Wie wurden sie von der Gesellschaft ihrer Zeit gesehen und wie sahen sie
sich selbst? Welche Auswirkungen hatte ihre Ehelosigkeit im täglichen Leben
etwa auf den Freundeskreis, auf das familiäre Umfeld, auf Reisen oder im Alter?
Mit bislang noch unbeantworteten Fragen wie diesen hat sich Dr. Bärbel Kuhn,
Privatdozentin für Neuere Geschichte an der Saar-Universität, in ihren
Forschungen beschäftigt. Sie wertete unzählige zeitgenössische Quellen aus,
darunter Tagebücher, Briefe, Biografien ... auch von manch prominentem Single
wie Wilhelm Busch.
Ans Licht kamen interessante Lebensbilder, Mentalitäten, Lebensumstände und
ganz profane Probleme des Alltagslebens, die der "alten Jungfer" und
dem "Hagestolz" damals das Leben schwer machten. Ein Beispiel: Die
Mahlzeiten. Der Wohnungsmarkt war ganz und gar nicht auf alleinstehende Frauen
eingestellt - kleine Wohnungen mit Küche gab es fast nicht; Männer hatten
zumeist ein möbliertes Zimmer und aßen im Gasthaus, wo Frauen nicht gern
gesehen waren.
Auch manch kuriose Ungleichbehandlung deckt die Saarbrücker Wissenschaftlerin
auf: Während Lehrerinnen nicht heiraten durften, waren unverheiratete Lehrer
suspekt. Auch wurden alleinstehende Frauen ihrer - grundsätzlich unterstellt:
nicht-selbstgewählten - Lebensumstände wegen eher bemitleidet, wohingegen Männer
wegen ihrer - grundsätzlich unterstellten - eigenen Wahl zwar einerseits
beneidet wurden. Die Gesellschaft sah andererseits eine Gefährdung des
Ehemodells und setzte die Junggesellen, die in den Augen der damaligen Zeit die
Schuld an der Frauenfrage trugen, massiv unter Druck, diesen Zustand zu beenden.
Ihre Erkenntnisse hat Bärbel Kuhn in einem Buch veröffentlicht:
Familienstand: ledig - Ehelose Frauen und Männer im Bürgertum (1850 -1914) Böhlau
Verlag, Köln, Weimar 2000, L`Homme Schriften, Band 5, 488 Seiten, 68 Mark, ISBN
3-412-12999-2
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